Projektfahrt der 9d nach Liebenburg – Kinder im Holocaust

Liebenburg am 8. Juli 2022. „Es war eine rechtlose Zeit“ – so die ersten Gedanken im Raum. Die Klasse 9d der OBS Deilich war ganz still. Die Klasse wurde gemeinsam mit ihren Klassenlehrern von der Leiterin des Kulturvereins Lewer Däle Liebenburg e.V., Frau Ursula Henk-Riethmüller, sehr herzlich begrüßt. Sie führte in einem einführenden Vortrag in die Thematik ein – es ging um die Bedeutung von Euthanasie und Holocaust, um Identitätsverlust, eine Arbeitshose, die Leben bedeutet und über die Generation, die handeln muss, wenn es keine lebenden Zeitzeugen mehr gibt und aufgeklärt werden muss. Einiges kannten wir bereits aus unserem Geschichtsunterricht. Dennoch gab es viel Neues. Wir verteilten uns nach Vergabe der Arbeitsaufträge zu zweit in dem schmalen Flur der Lewer Däle und erkundeten die Ausstellung. Wir lasen eine Tafel nach der anderen. Es waren aber keine gewöhnlichen Tafeln. Darauf standen nicht, welche Veranstaltungen in den nächsten Tagen stattfinden werden oder welche Termine am nächsten Tag anstehen würden. Darauf standen individuelle Schicksale von Kindern und Jugendlichen im Holocaust. Man merkte jedem einzelnen Schüler die Angespanntheit nach weiteren gelesenen Zeilen auf den Schautafeln an. Sie waren fassungslos darüber, was Kinder und Jugendliche im Holocaust durchmachen mussten.

Die Ausstellung
Die Austellung „Sterne ohne Himmel – Kinder im Holocaust“ hat ihren Ursprung in Yad Vashem, Jerusalem. Sie zeigt auf bewegende Art und Weise auf 27 Tafeln die Lebensgeschichten und Erfahrungen von Kindern und Jugendlichen, die die Verbrechen des Nationalsozialistischen Völkermordes knapp überlebt haben. Sie wurde aufgrund des Engagements des Schöninger „Arbeitskreises Stolpersteine“ ins Deutsche übersetzt und nach Schöningen bei Wolfsburg geholt. Erfahrungsberichte zu Themen wie Familie, Freundschaft und Zuhause werden aufgegriffen. Es wird dokumentiert, wie grausam das Leben in der damaligen Zeit für Mädchen und Jungen im Vergleich zur heutigen Zeit wirklich war. Außerdem wird mit ein paar Requisiten ein kleines Versteck von jüdischen Kindern dargestellt. Es gibt auch ein originales Zeichenbuch.  

Grausame Schicksale
Nachdem sich die Schüler Notizen gemacht haben, setzen sie sich in einen Stuhlkreis zusammen, um ihre gesammelten Eindrücke mit ihren Klassenlehrern und Frau Henk-Riethmüller zu besprechen. Hatten doch alle sorgfältig ihre Arbeitsaufträge erledigt. Die Stimmung blieb ernst. Schließlich ließ das Thema niemanden kalt.

Als die ersten zwei Schüler über ihr Thema, “Wer bin ich” geredet haben, verlor keiner der Mitschüler ein Wort währenddessen.  Einer der zwei Schüler sprach mit einer ruhigen und festen Stimme davon, dass ein acht Jahre altes Mädchen ihre Identität als Marta Winter aufgab und als Krystyna Griniewics weiter Leben musste, um so zu überleben. Dazu sagte er, „dass es für ihn unverständlich wäre, seine Identität aufgeben zu müssen“. Die Frage, ob sie sich vorstellen könnten, dass Krystyna Griniew ihre alte Identität als Manta Winter nach dem Holocaust wieder annehmen könnte und damit weiterleben würde, verneinten sie. Denn dann wäre die Erinnerung an ihre alte Kindheit und so auch an die Flucht vor den Nationalsozialisten viel zu schmerzhaft. Eine andere Mitschülerin sprach über ein kleines Mädchen, das mit sechs Jahren von zuhause fliehen musste. Das Einzige, was sie als Erinnerung mitnehmen konnte, war ihre kleine Puppe, die ihr an einem Grenzübergang von einem Wachmann fast weggenommen wurde. Es gab viele weitere bewegende Schicksale…

Familie verstecken ja oder nein?
Unsere Hausaufgabe war es, sich Gedanken dazu zu machen, ob wir selbst uns hätten vorstellen können einem jüdischen Freund oder Bekannten zur Zeit der beginnenden Judenverfolgung zu helfen. 
Viele der Schülerinnen und Schüler sprachen sich dafür aus – hatten sogar eigene Ideen für ein Versteck oder die Gewährleistung der notwendigen Versorgung. Bekannte Beispiele wie Anne Frank oder die Kinder der Villa Emma hatten wir im Kopf. Einige sahen sehr wohl die Gefahren und waren skeptisch. Die Mehrheit würde Dachboden oder Keller vorschlagen. Eine Mitschülerin erwähnte sogar, dass sie selbst hinter einer Wand eine kleine Tür hat und die zu einem kleinen Raum führt, wo man jemanden verstecken könnte. Viele sahen auch die absolute Geheimhaltung als schwierig an. Innerhalb der Gruppe wuchs der Respekt vor den sogenannten „Stillen Helden“.
Viele stellten es sich zu einfach vor – ist auch das Problem Lebensmittelbeschaffung nicht wirklich geklärt. Die Lebensmittel wurden gegen sogenannte Bezugskarten eingetauscht, auf denen je nach Beruf und Geschlecht die Menge an Lebensmitteln zugeteilt wurde. Es wurde rege diskutiert. 
Unsere Lehrer, aber auch Frau Henk-Riethmüller fanden es erstaunlich, dass so viele Schülerinnen und Schüler bereit wären, ihr eigenes Leben zu riskieren, um einer anderen Person zu helfen. Man würde füreinander einstehen, so die einstimmige Meinung – entwickelte dafür tolle Ideen.
Laut Frau Ursula Henk-Riethmüller wissen die Hälfte aller Jugendlichen in Deutschland nichts mit dem Wort Holocaust anzufangen. Dies schockte uns. Umso wichtiger sei es, die Erinnerungskultur weiter zu stärken und über die Vergangenheit zu sprechen. Sie gab uns die beeindruckenden Worte Max Mannheimers mit auf den Weg: 

„Ihr seid nicht verantwortlich für das was geschah. Aber dass es nicht wieder geschieht, dafür schon.“ 

Wir, die Klasse 9d der OBS Deilich, sind fest entschlossen, unseren Mund aufzumachen, aktiv zu sein, Ungerechtigkeit anzugehen und niemanden wegen seines Glaubens oder seiner Herkunft auszuschließen. Wie wichtig Zivilcourage ist – das haben wir mit der Ausstellung „Sterne ohne Himmel – Kinder im Holocaust“ einmal mehr gelernt. Themen wie Rassismus und Krieg und Ausgrenzung müssen besprochen werden – wir wollen dies weiterhin auf jeden Fall und empfehlen es jedem anderen, dies uns gleich zu tun.